Digitale, surreal wirkende Darstellung eines androgynen Oberkörpers mit blasser Haut. Die Figur hat lange, fließende, rosafarbene Haare, die sich wie Rauch oder Wellen im Raum ausbreiten. In den Haarsträhnen sind zwei glänzende Kugeln eingeflochten, eine grünlich schimmernd, die andere orange. Der Hintergrund ist in einem sanften Türkisblau gehalten und verstärkt die traumartige, fast schwebende Wirkung des Motivs.

german

 

Ἑρμαφρόδιτος

Das neue Foto-Projekt „Ἑρμαφρόδιτος“ von Vanessa Leißring erzählt die sexuelle Reise des

Hermaphroditen, der zwischen den Geschlechtern existiert. In dieser Navigation der Existenzen,

in den Momenten menschlicher Vereinbarung und der Schlüsse, schafft Vanessa Leißring Geschichten

über die vielfältigen Seinsweisen von Geschlechtlichkeit.

 

Im begonnenen Diskurs über Intersexualität erweitert sie die Narration im kongenialen Rückbezug auf die

Metamorphosen von Ovid und auf Begrifflichkeit und Notion von Spiegelungen des hermaphroditischen

Abbilds. Dieses KI-gesteuerte neue Futurum, das Zweigeschlechtlichkeit in den Mittelpunkt der

Annahme und eines phantastischen Ausdrucks stellt, veranlasst Vanessa Leißring, über diese Differenz der

Welt in einer Zwischenwelt zu berichten.

 

Der Rückbezug in Richtung Wandelbarkeit und Form zukünftiger Vereinbarungen einer selben Gefasstheit

und in ihrer Rechtsstellung vereinbarten Gleichheit stellt – im Hinblick auf die historischen Phasen der

Wahrnehmung von Geschlechtern – in Leißrings Fotoserie die Paradigmen hermaphroditischer

Vorstellung in den zeitgenössischen Diskurs. Die Foto-Designerin gibt den Themen damit einen

fotografischen Raum, der die Erzählräume in neuen Ansätzen über sexuelle Schöpfung ergründet und

diese Erkundung in eine neue Welt ohne zeitliche Widerspiegelung veranschaulicht.

 

Denn diese Zeitlichkeit, die hier ein besonderer Vorgang ist, erzählt die Geschichten und Träume des

Hermaphroditen in KI-kreierten Prozessen – und damit als Beziehung und Vorstellung von Verwandlungen

innerhalb des Wesentlichen. So entsteht zugleich eine Parallele und ein Verlauf der inhaltlichen

Veränderung hin zu einer Begegnung und Anschauung.

Das Futurum, der KI-Protagonist im Bild, reist demnach durch die Zeiten von der Antike bis in die

Moderne. Dort trifft er auf eine hedonistische Welt, scheitert daran, geht zugrunde, entsteht neu,

verwandelt sich und entsteht wieder neu. Diese Reise des Helden steht gleichwohl in einem zeitlichen

Verlauf der Kontexte, die in historischen Dimensionen verschiedene Begrifflichkeiten von

Zweigeschlechtlichkeit repräsentieren und die Ankunft des Protagonisten im Jetzt ankündigen.

 

Dabei sind die Wesenhaftigkeit und das Irdische, die diversen Konstrukte von Geschlechtlichkeit, als

hauptsächliche Weisen und existenzielle Bestimmtheit in zeitgenössischen Fragestellungen und

Zusammenhängen zu ermitteln. Sie beschreiben hier auch den queeren Liebesbeweis exemplarisch als

künstliche Welt von utopischen Seinsweisen. In den KI-generierten Bildern wird die fotografische

Vorstellung der Protagonistinnen, queeren Persönlichkeiten und Akteurinnen der Szene in einem quasi-

fiktionalen Ansatz repräsentiert.

Die Fotoserie untersucht auf diese Weise sexuelle Schöpfung im Hinblick auf innovative fotografische

Erzählweisen. Auf seiner Reise trifft Hermaphrodit auf diese hedonistische Welt der

Schöpfungsgeschichte, in der Wesenhaftigkeit und Irdisches in utopischen Seinsweisen verschmelzen.

In der Betrachtung des menschlichen Wesens fügen sie sich in eine gleichberechtigte Struktur und  in ein

gesellschaftliches Vorhaben ein.

Die Interdependenz als Verbundensein des Menschseins ist daher die vorangestellte Prämisse des

Futurums. Die Fotoserie, inspiriert von der homerischen Epik, entfaltet eine Utopie der Körperbilder,

in der Geschlechtlichkeit sichtbar wird und die Mechanismen gesellschaftlicher Schönheitskonstruktionen

reflektiert.

 

Eine Sichtbarkeit zu geben, nimmt hier einen eminenten Stellenwert im Projekt ein und formuliert damit

einen führenden Beitrag in den aktuellen fotografischen Arbeiten. Durch die Verwendung von

fotografischen KI-Kreationen entdeckt das Projekt neue Möglichkeiten der fotografischen Methodik.

 

Text: Evdokia Michailidou

Das Foto zeigt eine rosa Plastikflasche, die zweckentfremdet als Vase verwendet wird. Aus der geöffneten Flasche ragen grüne Knollen und Stängel raus. Die Szene ist minimalistisch inszeniert: Die Flasche steht auf einer dunkel rosa Fläche, der Hintergrund ist in einem hellen Rosa gehalten. Das Bild verbindet Alltagsgegenstand und Natur zu einem modernen Stillleben mit humorvoller Note.

german

 

Polyflowers

Wir ersticken in Plastikabfall. Rund 400 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert. Und zu viel

davon landet im Meer:

Zwei Drittel des gesamten Meeresmülls besteht heute aus Kunststoffen. Plastik an Stränden, in

Meeressedimenten, in Meeresstrudeln. Mikroplastik als tödliche Gefahr für Fische, Meeressäuger, Seevögel.

Denn herkömmliche Kunststoffe wie etwa PET sind biologisch nicht abbaubar. Sie werden nur langsam

zersetzt durch Salzwasser und Sonne und treiben als immer feinere Partikel auf ewig im Meer.

 

Im Gegensatz dazu sind Blütenpflanzen Teil des natürlichen Stoffkreislaufs. Sie wachsen, blühen auf,

verwelken, werden irgendwann von Mikroorganismen biologisch zersetzt und dienen als Grundstoff für die

Entstehung neuen Lebens. Und sie produzieren durch Photosynthese den lebensnotwendigen Sauerstoff auf unserer Erde.

 

Polyflowers ist ein fotografisches Projekt, das sich mit diesen Gegensätzen beschäftigt.

Vor allem geht es um den Gegensatz zwischen dem natürlichen und dem synthetischen Farbspektrum: Blumen in

Plastikflaschen, Natur in Polymeren. Durch Colorblocking werden Kunststoff und Natur

in ihrer Farbgebung einander gegenübergestellt.

 

Text: Andrea Kath

Das Foto zeigt eine rosa Plastikflasche, die zweckentfremdet als Vase verwendet wird. Aus der geöffneten Flasche ragen grüne Knollen und Stängel raus. Die Szene ist minimalistisch inszeniert: Die Flasche steht auf einer dunkel rosa Fläche, der Hintergrund ist in einem hellen Rosa gehalten. Das Bild verbindet Alltagsgegenstand und Natur zu einem modernen Stillleben mit humorvoller Note.

english

 

Polyflowers

We suffocate in plastic waste. About 400 million tons of plastic are produced every year. And too much of

it ends up in the sea: two thirds of all marine waste today consists of plastics.

Today we even have plastics on beaches, in marine sediments, in sea strudels.

Microplastics are a deadly danger for fish, marine mammals and seabirds.

 

Because conventional plastics such as PET are not biodegradable. They are only slowly decomposed by

salt water and sun and float forever in the sea as ever finer particles.

 

In contrast, flowering plants are part of the natural material cycle. They grow, blossom, wither, are at some

point biologically decomposed by microorganisms and serve as the basic material for the creation of new

life. And through photosynthesis they produce the oxygen on our earth that is essential for life.

Polyflowers is a photographic project that deals with these contrasts.

Above all it is about the contrast between the natural and the synthetic color spectrum: flowers in plastic bottles, nature

in polymers. Through colorblocking, plastic and nature are juxtaposed in their colors.

 

Text: Andrea Kath

Petrol Stations Serie

german

 

Petrol Stations

Zoom

Die Geschichte der Tankstelle beginnt mit dem Pferd. Es waren die Poststationen und Krämerläden, bei

denen die Durchreisenden für ihre Gäule Wasser und Heu erstehen konnten. Auch die unmittelbaren

Vorläufer der Tankstellen waren Geschäfte, die den zunächst noch seltenen Autofahrern Benzin anboten.

 

Je mehr Pferdestärken, desto mehr Benzindurst galt es zu stillen. Autos vermehrten sich – und damit

auch der allgemeine Verbrauch. Es machte Sinn, Verkaufsstellen zu eröffnen, die hauptsächlich oder

ausschließlich Benzin verkauften.

Mit den Zapfsäulen begann die eigentliche Blütezeit der Tankstelle. Nie war die Tankstellendichte höher.

So floss nicht nur viel Öl, sondern auch viel Geld. In Folge dessen konnten in diesen Zeiten die schönsten

Exemplare gebaut werden. Renommierte Architekten wurden engagiert, um futuristisch anmutende

Raumstationen zu schaffen, an denen man seinem Auto neuen Drive und sich selbst ein modernes Antlitz

verleihen konnte.

Zu spät hat man den Wert ihrer zeitlosen Schönheit erkannt. Nur wenige Ikonen konnten bis in die

Gegenwart hinübergerettet werden. Von vielen legen heute nur noch Fotografien ein Zeugnis ab.
Die wenigen Überlebenden stehen unter Denkmalschutz oder haben eine andere Verwendung gefunden.

Als Wohnhäuser oder Geschäfte segnen umgebaute Tankstellen das zeitliche einer goldenen Ära.

 

Die postmodernen Exemplare, wie sie die Bilder von Vanessa Leissring zeigen, entstammen bereits einer

Phase, in der die Tankstelle ihre große Zeit längst hinter sich gelassen hat. Als die Tanks immer

voluminöser wurden, die Autos sparsamer und ihre Reichweiten größer, als der gnadenlose

Konkurrenzkampf um die niedrigsten Ölpreise zu einer stetig sinkenden Anbieterzahl und immer größeren

Ölkonzernen führte, sank die Zahl der Tankstellen.

Dafür wurden sie bunter, heller und vor allem größer. Vom Benzin allein kann schon lange keine Tankstelle

mehr leben. Längst sind sie zu Verkaufsoasen geworden, an denen es zu überteuerten Preisen alles und

nichts gibt. Auf der Autobahn bieten die sogenannten Autohöfe die klassische Albtraum-Trias von

Fastfood, Sexshop und Spielhölle an.

 

Das erinnert daran, dass Tankstellen eben auch Sehnsuchtsorte sind – Orte, an denen es nicht nur darum

geht, rasch weiterzukommen, sondern an denen wir schnell auch noch für die Befriedigung unserer

einfachsten Bedürfnisse sorgen: Essen und Trinken, Schokolade und Chips, Zigaretten und Sprit, Porno

und Glücksspiel.

Nicht nur dem heimatlosen Trucker am Rande der Autobahn, sondern auch dem einsamen Teenager in der

Provinz werden dort rund um die Uhr kleine Wünsche erfüllt. Was wir dort bekommen, führt uns nicht nur

ganz konkret im Auto quasi überall hin, sondern alternativ auch in den Rausch oder ins Reich der billigen

Phantasie – ganz besonders nachts.

Heute buhlen die Tankstellen auch am Tage grell-bunt erleuchtet um Aufmerksamkeit. Je mehr sie an

Bedeutung verloren haben, desto imposanter wurden sie. Ihre Säulen lassen sie wie Tempel, ihre

geschwungenen Haubendächer wie Ufos erscheinen. So oder so – sie verheißen uns eine Reise: wenn

schon nicht in die unendlichen Welten des Alls, so doch in die herbe Romantik des Fernverkehrs.

 

Totale

Vanessa Leißrings Aufnahmen von Tankstellen erscheinen uns auf den ersten Blick sehr vertraut,

geradezu verstörend banal – und auf den zweiten seltsam entrückt und schön. Eine Totale auf Tankstellen,

wie sie menschenleer in der Dunkelheit liegen, bekommen wir nur selten zu Gesicht. Entweder sind sie

rund um die Uhr geöffnet, weil immer Betrieb ist, oder die Lichter gehen aus, weil nichts mehr verkauft wird.

 

Die Photographin lag offensichtlich auf der Lauer, um diese aussterbende architektonische Spezies in

völliger Reglosigkeit abzulichten. Hier herrscht der Stillstand. Tankstellen verheißen eigentlich ultimative

Mobilität; das grelle Licht Energie im Überfluss. Es sind Orte der rauschhaften Verschwendung von

Ressourcen.

Unvernunft macht das Lustvolle aus: Fahren ohne Ziel. Leuchten ohne Zweck. Wie dem bunten Blinken

auf einer Kirmes oder dem Glitzern eines Feuerwerks können wir der kindlichen Schönheit dieser

leuchtenden Oasen der Nacht verfallen. Strom ohne Ende. Benzin ohne Limit. Die unmittelbare,

ungehemmte Bedürfnisbefriedigung ist ein Relikt des Turbokapitalismus – völlig unzeitgemäß.

 

Selbst die Familie Rockefeller hat sich vom Ölgeschäft abgewandt, angeblich um sich die Hände nicht

weiter schmutzig zu machen. Die Ölpreise verfallen ohnehin. Keine Tankstelle kann mehr vom

Benzinverkauf allein leben. Die Tankstellen sind wieder zu Krämerläden geworden. Mittlerweile ziehen dort

Supermärkte ein.
Ihr grell-buntes, lichterloh aufplusterndes Aufscheinen ist die pure Verzweiflung vor dem

Unausweichlichen. Denn das Ende der Tankstelle, von dem die Bilder erzählen, ist längst besiegelt.

Elektroautos bringen sie zum Verschwinden.

 

Fade

Am Ende schließt sich der Kreis. Elektrische Zapfsäulen werden auf den Parkplätzen von Supermärkten

und Shoppingmalls stehen. Das Auftanken von Strom wird eine Nebensache sein und ansonsten zuhause

ablaufen. Nur noch die Raststätten auf der Autobahn werden eine Weile fortbestehen, insbesondere weil

es noch Trucker geben wird, die Pausen brauchen. Aber auch das geht vorbei.

Wenn erst die selbstfahrenden Automobile übernommen haben, wird das vor allem für Tausende von

Lastwagenfahrern das Aus bedeuten. In letzter Konsequenz werden fahrerlose Vehikel das Straßenbild

und die Autobahnen dominieren. Schlussendlich wird alles automatisiert ablaufen. Führerlose E-Trucks

werden sich an robotisch gesteuerten Tankstellen ihren Strom holen – und alles, was ein intelligentes Auto

sonst noch braucht. Menschen bedarf es dafür dann nicht mehr.

 

Die Tankstellen, wie wir sie heute noch kennen, haben dann ausgedient. Kinder werden ihre Eltern fragen,

was denn eine Tankstelle ist. Sie werden die ebenso traurigen wie verheißungsvollen Bilder sehen und sich

gemeinsam an vermeintlich gute alte Zeiten erinnern.

Das über Jahre entstandene Archiv der vom Aussterben bedrohten Tankstellen, von denen schon heute

einige nicht mehr existieren, wird uns an eine Mobilkultur und einen Autokult erinnern, der nachfolgenden

Generationen fremd vorkommen mag. Ruinen von Burgen und Schlössern, Zechen und Stahlwerken

bleiben uns erhalten – die Tankstellen aber werden verschwinden. Niemand wird sie für erhaltenswert

halten. In Zukunft werden wir auch das bedauern.

Dann haben wir die Bilder von Vanessa Leißring. Ihre Photographien helfen uns schon heute dabei,

den Menschen wegzudenken.
Die Vorläufer der Tankstellen waren für die Pferde da – um Wasser, Heu und Kraft zu tanken, um Luft

holen zu können, letztlich, um das Blut in ihren Adern mit Energie zu versorgen. Dann holten sich die

Autos ihre Transfusionen flüssigen Goldes an den Tankstellen ab. Noch abstrakter als der Energieträger

Benzin ist das, was heute Autos antreibt: der Fluss von Strom.

Das Auto der Zukunft treiben genau genommen zwei Ströme an – Energie- und Datenfluss. Logistik speist

sich künftig immer aus diesen beiden Modi. Bald wird kein Auto mehr ohne Internetzugang fahren. Aber

ohne Strom brechen auch alle Datennetze zusammen.

 

Selbstfahrende Autos nehmen dem Menschen nicht nur die Fortbewegung ab, sondern auch die Zügel

aus der Hand. Einstmals bedeutete Automobilität für den Menschen einen Zugewinn an Autonomie. Indem

nun Maschinen im Internet der Dinge Autonomie gewinnen und uns wieder zu Fahrgästen machen,

schwindet das Wilde und Ungezähmte, das ein Ritt auf einem Pferd oder eine Autofahrt einst ausmachte.

 

Autofahren wird in absehbarer Zeit verboten werden, weil es zu gefährlich und damit unverantwortlich ist.

Vielleicht wird es dann subversive Tankstellen geben, in denen Sprit wie eine illegale Droge verkauft wird.

Dann werden wir uns nicht nur sehnsüchtig an die modernistischen Tankstellen der Blütezeit des Autos

erinnern, sondern auch an die letzten Exemplare, die sich grell erleuchtet ihrem unausweichlichen Ende

entgegenstemmten.

Ihre Lichter sind ausgegangen. Sie waren reif fürs Museum.

 

Text: Bert te Wildt

Petrol Stations Serie
english
 
Petrol Stations
Zoom
The history of the petrol station begins with the horse. At the post offices and grocery stores the travellers
could buy water and hay for their horses. The immediate forerunners of the petrol stations were also
shops that offered petrol to the initially rare drivers. The more horsepower the more thirst for petrol had to
be quenched.
Motorcars increased and so did general consumption. It made sense to open sales outlets
that mainly or exclusively sold petrol. With the petrol pumps the actual heyday of the petrol station began.
The filling station density was never higher. Not only a lot of oil did flow, so did a lot of money. As a result,
the most beautiful specimens could be built in these times. Renowned architects were engaged to create
futuristic-looking space stations where you could give your car new verve and yourself a modern face.

It was too late to recognise the value of their timeless beauty. Only a few icons have been preserved to the
present day. Today only photographs bear witness to many of them. The few survivors are listed or have
found another use. As residential buildings or shops, converted petrol stations bless the time of a golden
era.
The postmodern copies, as shown in Vanessa Leissring’s pictures, already originate from a phase in which
the petrol station has long since left its great time behind. As the tanks became more
and more voluminous and fuller, as the cars became more economical and their ranges larger, as the merciless
competition for the lowest oil prices led to a steadily decreasing number of suppliers and ever larger oil
companies, the number of filling stations sank. But they became more colourful, brighter and, above all,
bigger. No petrol station has been able to make a living from petrol alone for a long time. They have long
since become sales oases where everything and nothing is available at overpriced prices. On the
motorway, the so-called car yards offer the classic nightmare trias of fast food, sex shops and gambling
houses. This reminds us that petrol stations are also places of longing, places where it’s not just a matter
of getting on quickly, but where we also quickly satisfy our simplest needs: food and drink, chocolate and
chips, cigarettes and petrol, porn and gambling.
Not only the homeless trucker at the edge of the motorway, but also the lonely teenager in the provinces
are fulfilled around the clock there. What we can get there does not only take us everywhere by car, but
also into the realm of cheap fantasy, especially at night. Today, the gas stations are also vying for attention
during the day, brightly illuminated and brightly lit. The more they lost importance, the more impressive
they became. Their columns make them look like temples and their often curved canopies look like ufos.
Either way, they promise us a journey, if not into the infinite worlds of space, then into the bitter romance
of long-distance traffic.
 
 
Totals
At first glance, Vanessa Leißring’s photographs of petrol stations seem very familiar, almost disturbingly
banal, and at second glance strangely enraptured and beautiful. We rarely see a long shot at the petrol
stations as they lie deserted in the darkness. Either they are open around the clock because they are
always busy or the lights go out because nothing is sold anymore. The photographer obviously lay in wait
to photograph this dying architectural species in complete motionlessness. Here standstill prevails.

Petrol stations actually promise ultimate mobility, the bright light promises energy in abundance. They are
places of the intoxicating waste of resources. Unreason creates the pleasurable. Driving without a
destination. Lights without purpose. Like the colourful flashing of a fair or the glitter of fireworks, we can
fall for the childlike beauty of these luminous oases of the night. Electricity without end. Gasoline without
limit. The immediate, uninhibited satisfaction of needs is a relic of turbo-capitalism. It is completely out of
date. Even the Rockefeller family has turned their backs on the oil business, supposedly to stop getting
their hands dirty. Oil prices are falling anyway.
No petrol station can live from selling petrol alone anymore. The petrol stations have become grocery
stores again. Meanwhile supermarkets are already moving in. Their garishly colorful, light-hearted fluffing
up is pure desperation facing the inevitable. Because the end of the petrol station, of which the pictures
do tell, has long since been sealed. Electric cars make them disappear.
 
FADE
 
Finally the circle closes. Electric pumps will be installed in the parking lots of supermarkets and shopping
malls. Filling up with electricity will be a minor matter and will otherwise be done at home. Only the service
areas on the motorway will continue to exist for a while, especially because there will still be truckers for a
while who need breaks. But even that will pass.
Once the self-propelled cars have taken over, this will mean the end for thousands of truck drivers
in particular. Ultimately, driverless vehicles will dominate the roadscape and motorways. Ultimately,
everything will be automated. Driverless electric trucks will get their power from robotically automated
filling stations and everything else an intelligent car needs. People will no longer be needed.
 
The filling stations as we still know them today will then be obsolete. Children will ask their parents what a
gas station is. They will see pictures that are as sad as they are auspicious, and together they will
remember supposedly good old times. The archive of gas stations threatened with extinction, some of
which have already disappeared, will remind us of a mobile culture and a car cult that may seem strange
to future generations. Ruins of castles and palaces, collieries and steelworks, they will be preserved for
us. The petrol stations in the pictures will in all probability no longer exist at all at some point. Nobody will
consider them worth preserving. We will regret that in the future.
Then we have the pictures of Vanessa Leißring.
 
Her photographs are already helping us to imagine people without them. The precursors of the gas
stations were there for the horses to fill up with water, hay and strength, to breathe, and finally to supply
the blood in their veins with energy. Then the cars collected their transfusions of liquid gold at the filling
stations. What drives cars today is even more abstract than gasoline, the flow of electricity. More
precisely, the car of the future is driven by two currents: the flow of energy and the flow of data. In the
future, logistics will always be fed by these two modes. Soon no car will drive without Internet access. But
without electricity, all data networks will collapse.
Even driving cars will not only relieve people of their locomotion, they will also take the reins out of their
hands. Once upon a time, automobility meant a gain in autonomy for people. Now that the machines on
the „Internet of Things“ gain autonomy and turn us all back into passengers, the wild and untamed things
that a ride on a horse or a ride in a car once meant are disappearing.
 
Driving will be banned in the foreseeable future because it is far too dangerous and therefore
irresponsible. There may then be subversive petrol stations where petrol is sold like an illegal drug. Then
perhaps we will not only longingly remember the modernist petrol stations of the heyday of the car, but
also the last specimens that puffed themselves up and brightly lit made a stand towards their inevitable
end. Their lights have gone out; they were ready for the museum.

 

Text: Bert te Wildt

VL_Firezone_PetrolStations

german

 

Petrol Stations

Was wären wir ohne Tankstellen? Und was wären Tankstellen ohne uns?

Vanessa Leissrings Bildstrecke „Petrolstations“ gibt sehr klare, photographische Antworten.

Autofrei, menschenleer und isoliert stehen die Stationen im eigenen Neonlicht; ihre einzige Bezugsgröße ist die Nacht.

Die Photos zeigen Tankstellen „an und für sich“, als geometrische, durch farbige Lichtflächen definierte Objekte,

sehr nackt und dennoch – oder gerade deshalb – unumstößlich und schön.

 

Text: André POLOczek

Petrol Stations Serie, Tankstelle,, Leissring, Serie

german

 

Petrol Stations

 

Der Bewegung entrückt

 

Die Tankstelle als Mittlerin der Bewegung, von der Fotografie als Mittlerin des Gewesenen eingefangen –

gebannt in den Moment.

Längst sind Tankstellen nicht mehr „dem Straßenbild angepasst“, keine „gestalterisch

rückwärtsgewandten Randsteinexistenzen“; sie wurden zu raumgreifenden Versorgungsinseln, deren

Unterbrechung der Bewegung nicht mehr allein deren Wiederermöglichung dient. Der Verkauf von

Kraftstoffen trägt nur noch einen Bruchteil zum Umsatz bei. Angesichts der dringend notwendigen

Energiewende gehören Tankstellen über kurz oder lang einer aussterbenden Art an – umso bedeutsamer

wird ihre dokumentarische Erfassung.

Im Geist des Konstruktivismus verlangen sie, dass ihrer formalen Radikalität auch im Abbild entsprochen

wird. In standardisierten Bauteilen, asymmetrischen Grundrissen und im Spiel von Vertikalität und

Horizontalität zeigen sie Regularität.

 

Diese Regularität und den Inselcharakter arbeitet Vanessa Leißring in ihrem seit 2006 fortgeführten

Langzeitprojekt heraus – einer typologischen Betrachtung medial mythisch aufgeladener Orte. Sie löst

ihre Objekte aus alltäglichen Erfahrungs- und Bedeutungszusammenhängen, erzeugt eine innere Unruhe,

Sprachlosigkeit angesichts tausendfach erfahrener Räume. Zugleich erschüttert sie die Begriffs- und

Wahrnehmungsmuster des Betrachters: Durch Dekontextualisierung entstehen neue Wirkräume – die

erste Assoziation ist die eines UFOs.

Leißring übernimmt die von Vilém Flusser postulierte „Schönheit des begrifflichen Universums“, indem sie

in schwarz-bunten Fotografien Authentizität verdeutlicht und eine Autonomie der Subjektposition gewinnt.

In kontrapunktischer Dekonstruktion verleiht sie den ortlosen Formen der architektonischen Moderne ein

emanatisches Flair. Sie verstärkt Wahrnehmungsnöte, indem sie ihre Motive aus Zeit und Raum löst.

 

In konsequenter Weiterentwicklung von Ed Ruschas Twentysix Gasoline Stations verzichtet sie auf den

ökonomischen Aspekt der Straße und erzeugt Unräumlichkeit. Ihren Kompositionen fehlt folgerichtig der

von Ruscha intendierte Readymade-Anklang. Die kühle Kunstlichtatmosphäre erinnert – durch Isolation,

Ausgrenzung, Distanz und Konzentration auf das Banale – an Edward Hopper.

 

Text: cerxú

Petrol Stations Serie, Tankstelle,, Leissring, Serie

english

 

Petrol Stations

 

Far removed from movement

The petrol station as mediator of the movement,

captured by photography as mediator of the past,

banned into the moment.

 

Petrol stations are no longer „adjusted to the appearance of the street“,

„backward facing designed subsictance by the curbstones“,

they became extensive supply rigs

dedicating an interruption of movement not only to re-enable this movement;

 

selling gasoline actually contribute only a fraction of the turnover.

In the face of the vitally essential energy transition,

petrol stations will sooner or later be part of a dying species,

which makes the documentation of their existence all the more urgent.

 

Oriented to constructivism, petrol stations demand

that their formal radicality is also met in their imaging.

They are examples of regularity in their use of standardized components,

the use of asymmetrical ground planing,

and the application of the principles of verticality and horizontality.

 

Vanessa Leißring processes this regularity and the island-ish character

in her long-term project, which has been continuously continued since 2006,

in a typological consideration of media mythically charged places.

She frees her objects from the mundane experiential contexts

and conceptual relationships,

creating restlessness, a speechlessness

in the face of spaces a thousand times frequented .

 

At the same time, she convulses the conceptual models and the viewer‘s grasp of the experience,

and the objects under consideration experience a new impact-cosmos by decontextualization

(the first association is with UFOs…).

Leißring takes over the „beauty of the conceptual universe“

postulated by Vilém Flusser, by making authenticity clearer in black-colored photos,

gaining an autonomy of the subject‘s position.

 

In contrapuntal deconstruction,

she gives emanational flair to non-locatable forms of architectural modernism.

She intensifies perceptional hardships

by detaching her motifs from space and time.

In a consequent enhancement of Ed Ruscha‘s „Twentysix Gasoline Stations“,

she renounces the economic aspect of the street,

creating unspatiality.

Consequentially her compositions miss Rusha‘s intended afflatus of Readymades.

The cool atmosphere  of artificial light is also reminiscent of Edward Hopper‘s

expression of isolation, exclusion, distance as well as the concentration on actually banal.

 

Text: cerxú